Im "Aufgebäumten Stamm" geraten also die Statik des organisch Gewachsenen und die des
Konstruierten in Widerspruch, und damit wird der Wahrnehmung eine unabschließbare Auf-

gabe gestellt. Denn für die Anschauung ist nicht mehr eindeutig auszumachen, ob der Baum-
stamm von den Seilen gehalten wird oder seinerseits die Seile hält. Dieser Widerspruch er-
scheint dramatisch gesteigert, wenn man die weitere Verkehrung der Statik des Gewachse-
nen durch die Haltekonstruktion bedenkt. Denn die Haltekonstruktion ersetzt die Funktion
des Wurzelwerks und erscheint zugleich als umgekehrte Krone des Baumes, die durch diese
gehalten wird.

Der "Aufgebäumte Stamm" ist sicherlich die spektakulärste noch bzw. wieder existierende
plastische Arbeit von Jan Meyer-Rogge. Doch ist für sie wie für alle seiner Werke bezeich-
nend, dass menschliches Maß bewahrt und nicht auf einen Effekt zielt. Vielmehr sind seine
Plastiken immer als Ergebnis von gleichermaßen überlegten wie erfahrenen Handlungen
eines Individuums zu erkennen, in denen nicht nur auf die spezifischen Eigenschaften der
jeweils verwendeten Materialien Rücksicht genommen, sondern diese zu einem Bestandteil
eines plastischen Geschehens gemacht werden, das diese Arbeiten in der Tat immer sind: