II.

Gewachsenes und Gemachtes treten fast immer als Gegensätze auf. Das ist in ihrer gänzlich
verschiedenen Struktur begründet: Denn das Gewachsene ist eine im Beuys'schen Sinne
plastische Masse. Eine Substanz, die sich selbst da, wo sie in fester Form erstarrt, die Ge-
stalt des Fließenden bewahrt: einen Sog entgegen der Schwerkraft verkörpert, der zumal
Bäume, wie immer sie gewachsen sein mögen, als ein aufrechtes Nicht-Lastendes erscheinen
und insoweit als Inbegriff des Lebendigen wirken lässt. Demgegenüber vergegenwärtigt das
von Menschen Hergestellte, das mit der Schwerkraft Gemachte die - wiederum mit Beuys
gesprochen - kalte Form.

Unter einem erweiterten Arbeitsbegriff, wie ihn Michel Serres entwickelt hat, lassen sich Ge-
wachsenes und Gemachtes jedoch durchaus subsumieren. Ihre Verschiedenheit tritt dann als
nur unterschiedliche Transformation von Unordnung in Ordnung in Erscheinung. Denn zu
Arbeit im Sinne von Serres besteht für alle lebenden Organismen, also allen zerbrechlichen
und dem Zerfall nahen Ordnungen, keineswegs nur der Spezies Mensch, keine Alternative.