In unserer Anfaß-Gesellschaft ist dennoch jede Begegnung eine Wohltat, die auf Abstand gründet. Dazu zähle ich Kunstwerke, deren formale Strategien sich der Berührungsgier verweigern. Ich spreche von Jan Meyer-Rogge, dem entschiedenen Asketen in Sachen Berührung und physischer Bemächtigung. Seine Haltung ist um so mehr zu respektieren, als seine Kunstgebilde eine anscheinend simple Syntax aufweisen, die sich zwar nicht durchschauen lässt, aber so verläuft, daß man glaubt, sie ohne großes Grübeln aus dem Lot werfen zu können. Das ist ein Trick, der fernöstlichem Denken entsprungen sein könnte. Man verbirgt den Aufwand hinter Gelassenheit: die Anstrengung gibt sich entspannt. Daraus wurde die Formel: less is more.

Das kommt aus einer Weltsicht, die sich die Dinge behutsam aneignet, ihr Gewicht in die Obhut formaler Balanceakte nimmt, die es in Gewichtlosigkeit verwandeln. Dieser abwägende Umgang mit den formalen Buchstaben, für den Meyer-Rogge immer neue Variationen erfindet, enthält ein Paradoxon. Er koppelt die Stabilität des Resultats mit dessen insgeheimer Instabilität. Die Elemente sind nämlich nicht aneinander befestigt, sondern bloß aneinander gelegt oder gelehnt. Sie tragen und werden getragen. Dies ist, was man das offenbare Geheimnis von Meyer-Rogges Herstellungsmethode nennen konnte: »Alles hält, weil alles fällt«. In diesem Selbstwiderspruch haben seine Objekte ihre feine Poesie – jedes Gleichgewicht ist ein Reim aus zwei Partnern –, hier kommen wir der aphoristischen Prägnanz seiner Erfindungen auf die Spur.