Du sprichst von Visualisieren des Prozesses im Zustand der Balance. Das klingt nach Widerspruch.

Du hast recht, und der Widerspruch lässt sich auch verbal nicht auflösen, sondern nur bei der Arbeit am Entwurf. Das Paradoxon hilft mir aber auszudrücken, worum es mir geht. Bei der Entwicklung von Modellen bin ich auf mehrere, wenigstens zwei Teile angewiesen, die aufeinander reagieren können, die resonanzfähig sind. Dabei stoße ich immer wieder auf ein grundsätzliches Problem, auf die Frage des Verhältnisses zwischen den Teilen und ihrer Wertigkeit im Gefüge der Plastik. Um Gleichwertigkeit zu erreichen, müssen z.B. die Übergänge zwischen Lasten und Tragen fließend sein, d.h. die unteren Teile können den oberen nicht lediglich als Dienste zugeordnet werden, wie etwa in der Architektur; die Elemente müssen vielmehr in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit beide Funktionen in sich vereinen.

Der Prozess, von dem ich sprach, der die Skulptur hervorbringt, wäre dann erhalten und in sie eingeschlossen, wenn die Elemente, aus denen sie besteht, ihre Energien gegenseitig aufnehmen, gleichzeitig geben und nehmen, und dieser Vorgang visuell wirksam wird im Zustand der Balance. Deshalb kommt es darauf an, dass die wirkenden Kräfte nicht verschwinden, wie etwa im statischen Bereich Stein auf Stein, sondern sich wechselseitig ­zeigen am Material, wie z.B. durch Verformen der Stahlstäbe bei den Stillwassern und Verlagern der Schwerpunkte bei den Kreisbögen der Serie Gezeiten. Bewegung als treibende Kraft geht mir auf diese Weise nicht verloren. Sie ist in den Zustand der Ruhe, in die Plastik eingespeichert.